Sewellia sp. spotted – der Punktierte Prachtflossensauger der vietnamesischen Gebirgsbäche

Taxonomie:

Ordnung: Karpfenartige (Cypriniformes)

Unterordnung: Schmerlenartige: (Cobitoidei)

Familie: Flossensauger (Gastromyzontidae)

Gattung: Sewellia


Die Familie Gastromyzontidae wird derzeit nach Kottelat (2012) als gültig betrachtet.


Sie enthält eine Reihe von Gattungen, die früher in mehreren Familien und Unterfamilien enthalten waren, zuletzt Balitoridae (Plattschmerlen).

Die bekanntesten Gattungen in der Aquaristik sind

Beaufortia, Formosania, Gastromyzon, Pseudogastromyzon, Hypergastromyzon, Liniparhomaloptera, Sewellia undVanmanenia.


Erstbeschreibung: Jörg Freyhof (2003)


Vorerst wird die Art unter den Namen Sewellia sp. spotted gehandelt und wartet noch auf ihre wissenschaftliche Beschreibung.

Sie ist der Art Sewellia albisuera sehr ähnlich, aber bei dieser Art besteht die Musterbildung aus einem Netzwerk von unregelmäßigen dunklen Linien, die eine komplizierte Reihe von Netzstrukturen bilden, im Gegensatz zu vielen kleinen, hellen Flecken auf einem dunklen Hintergrund bei Sewellia sp. spotted, auch unter dem Code "SEW01" bekannt.

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Sewellia sp. spotted - Foto Sewellia / zum Vergleich der Sewellia albisuera - Foto von Aquarium Glaser zur Verfügung gestellt


Es wird vermutet, dass diese beiden Spezis die gleiche Art repräsentieren können, aber dies scheint nicht der Fall zu sein. Bei der Beschreibung von Sewellia albisuera verwendete Freyhof (2003) eine Reihe von im Jahr 2000 gesammelten Exemplaren, sowie einige größere gefleckte Fische, die 1999 gesammelt und in New York aufbewahrt wurden.

Vor Mitte der 1990er Jahre war Sewellia lineolata die einzige Art in der Gattung, aber ein Aufschwung der Süßwasserfauna in Vietnam und Laos führte zur Entdeckung verschiedener neuer Taxa, von denen einige noch nicht beschrieben sind.

Die erste Ergänzung war Sewellia marmorata (Serov, 1996), gefolgt von der Beschreibung von vier weiteren Arten.


Verbreitung und Lebensraum:

Das volle Ausmaß des gesamten Lebensraumes ist bisher unbestätigt, aber es scheint, dass Sewellia sp. spotted nur in Zentralvietnam heimisch ist, wo die Art an mehreren Orten in der Provinz Quang Nam gefunden wurde. Sewellia sp. spotted soll auch an einem Ort vorkommen, der sich mit dem natürlichen Verbreitungsgebiet von Sewellia lineolata überschneidet (siehe Verbreitungskarte).

In ihrem natürlichen Habitat bewohnen sie oberflächennahe, schnell fließende, sauerstoffreiche Quell- und Nebengewässer.

Das Substrat besteht normalerweise aus Grundgestein, Sand und Kies mit Steinbrocken, während die Ufervegetation oft gut entwickelt ist, fehlen zudem Wasserpflanzen. Die Lebensräume enthalten klares, sauerstoffgesättigtes Wasser, das in Verbindung mit der Sonne die Entwicklung eines reichhaltigen Biofilmteppichs unter Wasser ermöglicht.

In Perioden mit hohem Niederschlag kommt es oft vor, dass einige Bäche vorübergehend trübe werden.

In Vietnam kommen in ähnlichen Lebensräumen verschiedene weitere Arten der Gattungen Annamia, Balitora, Homaloptera und Sewellia vor.


Vietnam Verbreitungsgebiet der Gattung Sewellia

Verbreitungsgebiet der bekanntesten Sewellia-Arten


Aussehen und Größe:

Sewellia sp. spotted erreichen eine maximale Körperlänge von 60 – 80 mm.

Somit sind meine jetzigen Sewellia sp. spotted mit ihren ca. 7 cm bereits ausgewachsen.

Nachzuchtambitionen habe ich derzeit nicht.

Die Gattung Sewellia wird durch folgende Merkmalskombination nach Freyhof und Serov (2000) beschrieben:

abgeflachter Kopf und Körper und komprimierter Schwanz;

die schmalste Körperbreite am Rückenflossenursprung;

die größte Körperbreite am Ende der Brustflossenbasis;

die gesamte ventrale Oberfläche der gepaarten Flossen, Kopf und Körper bilden eine adhäsive Scheibe, die sich bis zum Ende der Beckenflosse erstreckt.

Sewellia sp. sind speziell an das Leben in schnell fließendem Wasser angepasst - die gepaarten Flossen sind horizontal ausgerichtet, Kopf und Körper sind abgeflacht. Diese Merkmale bilden einen kräftigen Saugnapf, der es dem Fisch ermöglicht, fest an festen Oberflächen zu haften.

Die Fähigkeit, im offenen Wasser zu schwimmen, wird dadurch aber stark reduziert.

Alle Sewellia sp. spotted haben auf dem Rückenflossenansatz und deren Ende einen orange reflektierenden Fleck,

der bei genügend Licht nicht zu übersehen ist.

Im Vergleich mit Sewellia lineolata, wird Sewellia sp. spotted etwas größer und ist scheuer.

Ihre Unterseite ist rosafarben, wogegen sie bei Sewellia lineolata weiß ist.


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Foto von Mario 1982 zur Verfügung gestellt


Aquariumhaltung:

Optimale Wasserbedingungen: Temperatur 20 - 24°C. Temperaturen bis mindestens 15°C oder höchstens 28°C werden kurzzeitig vertragen,

wenn der Sauerstoffbedarf aufrechterhalten wird. Beim Wasserwechsel kann die Temperatur sogar 1 – 2 Grad weniger betragen.

Der optimale ph-Wert liegt zwischen 6,0 – 7,5 bei einer Gesamthärte zwischen 5 - 20° dGH.

Das Aquarium sollte für eine dauerhafte Haltung eine Mindestgröße von 80 x 35 cm aufweisen.

Kleinere Becken können für die Zucht, die relativ einfach und schon mehrfach im Aquarium gelungen ist, verwendet werden.

Das Wasser muss sauber und sauerstoffreich sein. Daher ist die Verwendung eines großen Filters empfehlenswert.

Eine Sauerstoffzufuhr, entweder über den Filter, oder mit einer separaten Pumpe ist notwendig.

Die Beleuchtung sollte nicht zu schwach ausfallen, um das Wachstum von Algen und der damit verbundenen Mikroorganismen zu fördern.

Da es im natürlichen Verbreitungsgebiet von Sewellia sp. spotted kaum Wasserpflanzen gibt, können im Aquarium anpassungsfähige Gattungen wie Anubias, Cryptocoryne, Microsorum u.a. verwendet werden.

In meinem Flossensaugerbecken habe ich vorwiegend Cryptocoryne aponogetifolia, die meine Flossensauger sogar bis zur Wasseroberfläche hinaufschwimmen, um dort den Aufwuchs nach Mikroorganismen durchzusuchen.

Die hochwachsenden Cryptocoryne aponogetifolia sind in dem Sinne nützlich, da ihre Blätter dazu neigen, Algenwachstum anzulocken und zusätzliche Deckung zu bieten.

Da Sewellia sp. spotted stabile Wasserbedingungen benötigt und sich vorwiegend von Biofilm ernährt, sollte diese Art niemals in biologisch unreifen Aquarien hinzugefügt werden. Eine Abdeckung ist sehr wichtig, da sie ansonsten über die Aquarienscheiben entwischen können.

Nicht selten kann man sie dabei beobachten, wie sie ihren Kopf an der Aquarienscheibe über die Wasseroberfläche schieben.


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Foto von Doreen zur Verfügung gestellt


Sewellia sp. spotted ist durchaus gesellschaftsfähig und sollte in kleinen Gruppen mit Artgenossen gehalten werden.

Eine Vergesellschaftung mit anderen friedlichen Fischen ist bei den tagaktiven Fischen kein Problem.

Ich selbst halte eine Gruppe im Gesellschaftsaquarium mit Garra flavatra, Akysis vespa, Pangio kuhlii sumatranus u.a.


Nahrung:

Obwohl Sewellia sp. spotted Allesfresser ist, besteht ein großer Teil der natürlichen Nahrung aus benthischen Algen (Bewuchsalgen) und Mikroorganismen von Steinen oder Pflanzen, welche in einem gut eingefahrenen Aquarium auch zu finden sind.

Futtertabletten mit pflanzlichen (z.B. Spirulina) und tierischen Bestandteilen werden ebenso genommen wie Frostfutter (Cyclops) und hochwertiges Trockenfutter. Gurken und blanchierter Spinat können ebenfalls gereicht werden.

Lebendfutter wird, zumindest von meinen Sewellias, eher selten genommen.


Was mir leider schon in einigen Zoogeschäften aufgefallen ist, dass Gastromyzontidae oft in einem abgemagerten Zustand verkauft werden,

der nur schwer zu korrigieren ist. Diese Tiere sind abgemagert, da es sich oftmals um Wildfänge handelt.


Perllinien-Prachtflossensauger (Sewellia spotted)

Foto: Sewellia


Verhalten und Vergesellschaftung mit anderen Fischen:

In Bezug auf das Verhalten sind die Arten der Gattung Sewellia vielleicht die dominanteste Gattung von Flossensaugern,

obwohl sie im Allgemeinen gegenüber anderen Fischen nicht aggressiv sind.

Geeignete Fische für eine Vergesellschaftung sind kleine pelagische Cypriniden, wie z.B. Fische der Gattungen Danio, Devario, Rasbora, stromlebende Grundeln aus den Gattungen Rhinogobius, Sicyopterus und Stiphodon, sowie rheophile Welse wie Glyptothorax, Akysis und Hara.

Einige Schmerlen aus den Familien Nemacheilidae, Balitoridae und Gastromyzontidae sind ebenfalls geeignet.

Flossensauger der Gattung Gastromyzon können bei der Vergesellschaftung mit Sewellia-Arten jedoch zu wenig Futter abbekommen.

Daher ist es ratsam bei der Vergesellschaftung mit ruhigeren Flossensauger-Arten ein größeres und gut strukturiertes Aquarium zu verwenden.

Auch robustere Gattungen wie Pseudogastromyzon können durch das dominante Verhalten der Sewellias bei der Futtersuche zu kurz kommen.

In meinem Flossensaugerbecken leben zwei Arten, Sewellia sp. spotted und Pseudogastromyzon myersi.

Flossensauger sind Gruppentiere und sollten in kleinen Gruppen ab 5 Individuen gehalten werden, um ihr natürliches Verhalten zeigen zu können.

Alle Sewellia-Arten sind sehr territorial. Ihre Dominanzkämpfe sind mitunter sehr unterhaltsam anzusehen und finden oft in einer Bauch-Bauch-Haltung statt, wobei beide Fische ihre Körper in einer nahezu aufrechten Position vom Substrat heben.

Die Haltung von mehreren Fischen verringert die Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes subdominantes Individuum ausgesondert wird.


Unterscheidung der Geschlechter:

Die offensichtlichsten äußeren Merkmale sind die Form des Kopfes und des Körpers, von oben gesehen.

Weibchen haben einen vergleichsweise breiten Körper, Männchen sind schlanker.


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Flossensauger oben: Female, Flossensauger unten: Male - Foto von Doreen zur Verfügung gestellt


Fortpflanzung und Nachzucht:

Sewellia spp. sind wohl die Arten, die im Aquarium am leichtesten zu züchten sind.

Die ersten Berichte beschrieben die Zucht in bachförmig eingerichteten Aquarien, mit Strömung und vielen runden Flusssteinen in unterschiedlichen Größen. Mitunter gelang auch die Zucht, oft auch ohne diese jemals angestrebt zu haben, in einem Gemeinschaftsaquarium.

Der vielleicht wichtigste Aspekt, bei einem kontrollierten Zuchtversuch, ist die Bereitstellung eines geeigneten Substrats, welches den natürlichen Lebensraum der Flossensauger nachempfindet.

Eine große Anzahl von gerundeten Flusssteinen ist am besten, wo es viele Ecken und Ritzen gibt. Die dort abgelegten Eier können sich so ungestört entwickeln, ohne von den adulten Tieren gegessen zu werden und bieten zudem Zuflucht für die Larven, bis sie groß genug sind, um frei zu schwimmen. Der organische Abfall (Detritus), der dazu neigt, sich in dieser Art von Substrat zu sammeln, stellt auch eine Nahrungsquelle für Mikroorganismen bereit, die wiederum von den Jungfischen gefressen werden.

Das Ablaichen kann ausgelöst werden, indem die Temperatur für einen Zeitraum auf 25 - 26 °C erhöht wird, bevor ein Kühlwasserwechsel durchgeführt wird. Mitunter gelingt auch das Ablaichen unmittelbar nach einem Wasserwechsel.

Das Werben wird vom Männchen initiiert und beinhaltet flatternde Darstellungen und das Verfolgen des Weibchens.

Wenn ein Weibchen aufnahmefähig ist, drückt das Männchen seinen Kopf in den Körper des Weibchens, scheinbar in dem Versuch, sie ins offene Wasser zu bringen. Die Eier und Samen werden in der Regel dort freigesetzt, wo die Strömung am stärksten ist.

Vermutlich ist dies ein wirksames Mittel zur nachgelagerten Ausbreitung in der Natur, wodurch die Jungfische sich in ruhigeren Gewässern entwickeln können, bevor sie stromaufwärts wandern, um sich den Erwachsenen anzuschließen, sobald sie sich der Reife nähern.

Die Inkubationszeit für Sewellia- Eier scheint undokumentiert zu sein, aber sobald die Fische beginnen sich umzufärben und freischwimmen, ist es wichtig, Nahrungsmittel in geeigneter Größe bereitzustellen.

Die Larven sind anfangs winzig, transparent und halten sich zwischen Steinen auf, wo man sie meistens nicht sofort sieht.

Danach beginnen sie sich zu färben. Ihr erstes Babykleid ist gestreift.


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Junger, noch gestreifter Sewellia sp. spotted - Foto von Lilimaus zur Verfügung gestellt


Infusorien sind als Erstfutter sehr gut geeignet, gefolgt von Artemia-Nauplien, Microwürmchen usw.

Die Körperform der Larven ist weniger lateral komprimiert als bei Erwachsenen, und sie besitzen anfänglich kleine Barteln, die sich progressiv verringern, wenn sie älter werden. Die Brust- und Bauchflossen sind bei ihnen auch relativ kurz, was bedeutet, dass die Jungen nicht in der Lage sind, sich an Oberflächen wie erwachsene Tiere zu klammern, stattdessen verbringen sie ihre ganze Zeit auf oder in dem Substrat.

Ab ca. 15mm Körperlänge haften sie sich dann ebenfalls an allen möglichen Gegenständen fest.

Ab ca. 20 mm Körperlänge bricht das Streifenmuster der Jungtiere dann stärker , der Körper beginnt mehr lateral zusammengedrückt zu werden und es bildet sich langsam das endgültige Muster heraus.


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Halbwüchsiger Sewellia sp. spotted, der schon fast das endgültige Muster aufweist - Foto von Lilimaus zur Verfügung gestellt


In Gemeinschaftsaquarien, die durch externe Geräte gefiltert werden, sollte bei der Wartung des Filters vorsichtig vorgegangen werden, da sich darin häufig Junglarven oder Eier befinden.


Weitere Arten der Gattung Sewellia (Auswahl):

- Linierter Prachtflossensauger (Sewellia lineolata) in China, Vietnam, Kambodscha

- Marmorierter Prachtflossensauger (Sewellia marmorata) in China, Vietnam, Kambodscha

- Gefleckter Prachtflossensauger (Sewelia breviventralis) in Vietnam

- ? (Sewellia speciosa) in Thailand, Laos - Fundort im Xekong, Huay Way

- ? (Sewellia elongata) in Laos - Fundort im Bolaven-Plateau

- ? (Sewellia diardi) in Vietnam, Laos - Fundort im Xe Kaman


Text: Sewellia

Fotos: Lilimaus, Doreen, Mario 1982 und Sewellia


Ich bedanke mich bei Manu, Doreen und Mario, die so freundlich waren, ihre Fotos für diesen Artikel zur Verfügung zu stellen.


Quellenangabe:

- https://en.wikipedia.org/wiki/Sewellia

- https://www.loaches.com/species-index/sewellia-sp-spotted