Lebendfutter Teil 3: Phytoplankton

Lebendfutter Teil 3

Phytoplankton Kultur


Für die Produktion von Zooplankton ist hauptsächlich Phytoplankton erforderlich. Jede Planktonart setzt dabei verschiedene Kulturbedingungen voraus. Das sind Düngemittel, Temperatur, Salzdichte, Wasserbewegung, Artentrennung, Kulturausdünnung, Backupkulturen und nicht zuletzt eine Keim arme Arbeitsweise. Das ist mitunter sehr aufwändig und schwierig umzusetzen, wenn man sich nicht nur auf Nanoplankton beschränken will. Ein weiteres Problem ist die Menge an Phytoplankton, was man produzieren muss um ausreichend Futter für die Fische bereitzustellen. Das wird oftmals unterschätzt! Dazu muss man wissen, dass für die Gewichtszunahme von 1 Gramm für einen Fisch die 10 fache Menge an Zooplankton erforderlich ist. Um aus 1 Gramm Zooplankton 2 Gramm zu machen, braucht man 10 Gramm Phytoplankton. Hat man nun einige hundert Tiere in der Zucht, kommt da einiges zusammen: Wasser, Salz, Spezialdünger, Energie..., nicht zuletzt Arbeitszeit.

Für meine Phytoplanktonzucht habe ich mich auf vier Arten Phytoplankton beschränkt und ziehe das in zehn 5 Liter Trinkwasserflaschen auf. Diese 50 Liter Phytoplankton sind natürlich nicht gleichzeitig verfügbar sondern immer zeitlich versetzt. Es dauert einige Zeit bis das Phyto geerntet werden kann, einiges muss für einen Neuansatz zurückbehalten werden (ca. 20%). So ist die Ausbeute mit dieser Methode nicht besonders hoch. Und das Schwerlastregal kommt auch an seine Grenze!

Es geht aber auch anders, wie ich es bei einem befreundeten Züchter sehen konnte. Es kamen bei ihm 200 Liter fassende Kunststoffbeutel in Drahtgeflechkörben für die Phytoplanktonkultur zum Einsatz. In diese Behälter wurde das Zooplankton eingesetzt, nachdem das Phytoplankton auf der Höhe seiner Entwicklung war. Noch größere Anlagen zur Phytoplankton Kultur habe ich in Potsdam, im Institut für Getreidewirtschaft besichtigt. Hier fließt ein Wasser- Phytoplanktongemisch durch ein mit Tageslicht beleuchtetes, rießiges Röhrensystem. Hier wird eine recht hohe Ausbeute an Phytoplankton erzielt, was allerdings spezielle Technologien voraussetzt um die Produktion in Gang zu halten.

Nicht zuletzt gehört zu den Kulturbedingungen das Vermeiden einer Kontamination von Futtertieren in die Behälter. Das geschieht leider viel zu oft und alle Mühen und Aufwand sind für die Katz! Darum ist die Desinfektion und eine peinich penible Arbeitsweise im Umgang mit den Behältern und Hilfsmitteln das A und O bei der Phytoplanktonzucht, ebenso wie eine räumliche Trennung von Zooplankton und Phytoplankton. Sind Desinfektionsmaßnahmen bei Zooplankton schon gängige Praxis, gilt das in einem viel größerem Maß für das Phytoplankton.


Hat man das Phytoplankton erntereif kann man am einfach Zooplankton in die Behälter füllen, verschiedene Mischungen zusammenstellen oder im Kühlschrank im Dunkeln einige Zeit lagern. Wer über eine Zentrifuge verfügt, kann das Plankton hoch konzentrieren, das macht die Lagerung sehr viel einfacher. Solche Planktonkonzentrate sind auch käuflich. Sie setzen sich aus mehr oder weniger geeigneten Arten zusammen, sind einige Zeit im Kühlschrank lagerbar. Solche Konzentrate setze ich bisweilen ein, wenn sich das Zooplankton im Futterautomat befindet um möglichst lange den Ernährungszustand der Futtertiere zu erhalten. Oftmals hat man dann noch einige andere Planktonarten als durch eigene Zucht.

Das Einschleppen von Futtertieren in die Behälter muss unbedingt vermieden werden, das geschieht viel zu oft und alle Mühen und Aufwand sind für die Katz! Darum ist die Desinfektion das A und O bei der Phytoplanktonzucht.


Ausgehend von der Tatsache, dass alle Fische neben tierischer Nahrung in großem Maße pflanzliche Nahrungsbestandteile benötigen, ist die Ernährung der Futtertiere ein wichtiger Aspekt den Bedürfnissen der Fische zu entsprechen. Die Futtertiere sind der Container für die Pflanzenkost aber sie sind zusätzlich in der Lage, die Pflanzenkost für die Fische in eine Form zu bringen, die wichtig für die Verdauung sind. In meinen vorangegangenen Beiträgen bin ich bereits auf die Vorverdauung, Anreicherung mit Enzymen, Stoffwechselprodukten usw. eingegangen, weil sie für die Fische sehr wichtig sind. Damit das alles gelingt, muss man auf dem Beginn aller Nahrungsnetze eingehen, dem Phytoplankton.

Bekanntermaßen sind die unterschiedlichen Arten des Phytoplankton hinsichtlich ihrer Inhaltsstoffe mehr oder weniger gut geeignet. Grundsätzlich gilt: Je größer das Spektrum der Arten des Phytoplanktons desto ausgewogener ist die Ernährung der Futtertiere und als Folge die Ernährung der Fische. Besonders in der Zucht stellen sich die Erfolge ein, wenn man es schafft, diesen Grundsatz zu beachten.


Neben den genauen Kenntnissen der Inhaltsstoffe des Phytoplanktons ist der Bereitstellung entsprechender Nährmittel größte Aufmerksamkeit zu widmen. Das betrifft die Verfügbarkeit von anorganischen Bestandteilen wie Makroelemente, Spurenelemente, besonders aber auch organische Bestandteile.

Die meisten Algen welche wir oftmals kultivieren, sind mit den Standartnährmitteln wie F/2 gut haltbar. Bei einigen Arten jedoch reicht das nicht aus und oftmals sind das die Algen, welche mehrfach ungesättigte Fettsäuren aufbauen können und daher als besonders hochwertig gelten mit weiteren Zuschlagstoffen zu versorgen. Bei Algen der Hochsee gibt es jedoch nur wenige kultivierbare Arten; oftmals scheitern die Versuche daran, weil das Milieu nicht steril genug gehalten werden kann, spezielle Nahrungsansprüche vorherrschen und geringe Toleranzgrenzen die Ausgangsbedingungen verschärfen.

Eine gute Haltbarkeit oder Kultur von Algen sagt jedoch nichts darüber aus, ob die Algen ein gehaltvolles Futter sind. Die dafür erforderlichen Bedingungen hängen nicht nur von der Art der Alge und den Nährmitteln ab. Besonders der Qualität der Lichtquelle und deren Intensität, der Bewegung des Kulturmediums, die ausreichende Versorgung mit CO2 und die Temperatur sind wesentliche Faktoren, damit die gewünschten Inhaltsstoffe gebildet werden. Weitere wichtige Punkte sind Alter der Kulturen, deren Reproduktionsrate, Rhythmus der Beleuchtung, sterile Behälter und Gerätschaften usw. Diese Bedingungen sind eigentlich schon lange bekannt, finden jedoch aus den unterschiedlichsten Gründen oftmals nicht genügend Beachtung. Arbeits,- Zeit- und Kostenintensiv sind die Methoden jedoch immer! Und es gelingt nicht immer die gewünschten Inhaltsstoffe zu produzieren, wenn die Voraussetzungen nicht genügend beachtet werden oder nicht berücksichtigt werden können.

Mit den verschiedensten Düngern hat man sich in der Vergangenheit an eine Darreichungsform herangearbeitet, die ausgehend von den Düngern der Landwirtschaft sich in der heutigen Form präsentieren und relativ einfach herzustellen sind. Unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen der Algen hinsichtlich ihres Bedarfs an anorganischen und organischen Nährmitteln werden derzeit standardisierte und für die meisten Algen brauchbare Dünger hergestellt. Das bekannteste ist das Nährmedium F/2, es gibt aber noch weitere Nährlösungen. Damit gelingt es vielen Algen eine ausreichende Basis für die Kultur zu bieten. Das betrifft unter anderem den pH Wert der Lösung bis hin zu Salzdichte, bei denen die Toleranzen der Lebensfähigkeit der Algen erweitert bzw. gepuffert werden, was die Haltung vereinfacht und Kosten reduziert. Viele marine Algen sind durchaus in niedriger Salzdichte und nahezu neutralem pH-Wert haltbar.

Besonderes Augenmerk muss man auf die organischen Zuschlagstoffe lenken. Dazu gehören in erster Linie die wasserlöslichen B-Vitamine: B1 in Form des Thiamin, B12 in Form des Cobalamin. Im natürlichen Küstengewässern liegt das B12 in einer Konzentration von etwa 0,16mg/l vor, ein Wert, den man bei der Planktonzucht berücksichtigen muss. Manche Algen benötigen zusätzlich Biotin B6, aber alle Algen benötigen das B12. Ganz besonders hoch ist der Bedarf bei Algen, die saprophytische und holozentrische Tendenzen entwickelt haben, bei Algen mit mehr den Pflanzen zuneigenden Lebensformen ist der Bedarf viel geringer. Einige Algen benötigen zudem noch Niacin B3, Folsäuren B9, B11, Pantothensäuren B5, Pyridoxin B6 für die Wachstumsstimulation.

In den F/2 Lösungen ist die Haltbarkeit der Vitamine ausschlaggebend für eine erfolgreiche Algenkultur. Daher ist das Kulturmedium gut gekühlt aufzubewahren und nur begrenzt lagerfähig. Das Vitamin B12 ist in der Apotheke in Konzentrationen von 100µg/l oder 1000µg/l erhältlich und in dieser Form recht lange lagerfähig, so dass man sich relativ einfach eine stabile Versorgung der Phytoplanktonkultur schaffen kann. Das trifft auch auf das Vitamin B6 zu, was in Form des Pyridoxin in einer Konzentration von 25mg/l erhältlich ist. Probleme könnte es bei der Beschaffung des Vitamin B3 geben, denn in Deutschland ist ein Mangel an diesem Vitamin sehr unwahrscheinlich. In Lebendfutter Teil 1 habe ich auf den sehr großen Bedarf besonders bei Jungfischen hingewiesen, weil ihr Verdauungsapparat noch nicht voll entwickelt ist.

Weitere Zuschlagstoffe für die Kultur der Algen sind unerlässlich. Dazu zählen wichtige Aminosäuren; es sind in erster Linie: Glutaminsäure, bekannt als Nahrungsergänzungsmittel Gluten, dann Glycin was man in höherer Konzentration in ungesüsstem Gelantinepulver findet (>20%) bekannt aus der Lebensmittelindustrie als Geschmacksverstärker, weiterhin Purin bzw. deren Derivate, auch als Harnsäuren bekannt. F.E. Round verweist in seiner Veröffentlichung zu Algenkulturen weiter auf die Zwischenprodukte des KREBS – Zyklus, die einen erheblichen Einfluss auf den Stoffwechsel der Pflanzen und ganz besonders der Energiegewinnung und Stoffumwandlung eine Rolle spielen. (1)

Cytratcyklus in Wikipedia



Fazit

Grundsätzlich ist eine ausgewogene Ernährung von Fischen und Wirbellosen nur durch hochwertige Futtermittel gegeben. Und die findet man im Trockenfutter nicht in ausreichender Form und Zusammensetzung, im Frostfutter in stark schwankender Qualität und nur im gut genährtem Lebendfutter. Nachzuchten stellen sich zuerst bei den Tieren ein, die eine bestmögliche Ernährungsform geboten bekommen, da sie die wichtigen Verbindungen und essenzielle Bestandteile für ihren Stoffwechsel und bei der Ausbildung von Gonaden an hochwertiges Futter gebunden ist. Anfangs nannte ich schon, dass auch die sich karnivor ernährenden Tiere pflanzliche Kost benötigen, die sie sich mit Hilfe ihrer Nährtiere zuführen. Die dafür erforderlichen Nahrungsnetze im Aquarium aufzubauen ist auf Grund des geringen Volumens nicht möglich, zudem ist die Artenvielfalt im Aquarium schnell abnehmend, wenn man keine gegensteuernde Maßnahmen ergreift. Dabei reichen Algen allein nicht aus, da viele weitere Futterbestandteile benötigt werden. So sind Protozoen, Hefen und Pilze wichtige Bestandteile im Nahrungsnetz, die mittels „Container“ Futtertier den Fischen verabreicht werden. Leider gibt es zu Hefen und Pilzen nur wenige Veröffentlichungen. Aus eigener Erfahrung kann ich aber sagen, dass sich die Verabreichung dieser Futtermittel durchaus positiv auswirken. Beispiel Bierhefe als Träger des Vitamin B12 oder einige probiotische Bakterien bei der Zucht der Futtertiere um Krankheitskeime zu unterdrücken. Man muss sich dabei immer vor Augen halten, dass die Futtertierzucht eine Massentierhaltung bedeutet- mit all ihren bekannten Nachteilen.


Nun kann man sich fragen, ob dieser Aufwand für den Privatmann erforderlich ist. Es kommt eben darauf an, was man erreichen möchte und die Zucht mariner Wirbeltiere ist nach wie vor eine große Herausforderung. Hier kann man sich nach wie vor seine Sporen verdienen- hinsichtlich der Entwicklung von Technologien, des Wissenstransfers und der Motivation, neue Mitstreiter zu begeistern. Selbst das nachvollziehen bekannter Zuchtmethoden in der Praxis kann durchaus schwierig sein aber auch Innovationen freisetzen. Rückblickend kann ich sagen, dass in den letzten zehn Jahren große Fortschritte erzielt und publiziert wurden. Viele Fische die eigentlich als nicht zu züchten bekannt waren, wurden vermehrt und das macht ein wenig Hoffnung, dass nicht alle Anstrengungen umsonst sind.

Insgesamt ist die Einschätzung der jetzigen Situation für den Züchter nicht wirklich der Sache dienend und die Ausgangsbedingungen für eine breite Züchterbasis eher idealistischen Initiativen vorbehalten. Doch eine Entnahme von Tieren aus der Natur wird sicher nicht mehr lange so ungehemmt möglich sein, wie es derzeit der Fall ist und ich hoffe, dass man dann in der Lage sein wird, viele Tiere aufzuziehen. Die Grundlagen, das Können und Wissen sind durchaus vorhanden aber auch die Kenntnis über das sehr hohe Risiko, nicht Kosten deckend Tiere zu vermehren. In der Zeitschrift Meerwasseraquarianer wurde durch D. Heerz die Vermutung ausgesprochen, dass die Asiaten auf Grund des Lohngefälles und der relativ niedrigen Transportkosten und natürlich durch Fleiß und Ehrgeiz hier zukünftig die Marktsituation erheblich zuungunsten der deutschen Züchter beeinflussen werden. Nun das bleibt abzuwarten, da viele Faktoren den Preis beeinflussen, unter anderem die Transportkosten und Zwischenhälterung bis hin in das Aquarium.

Dennoch ist aus meiner Sicht die Beschäftigung mit der Vermehrung der Tiere für die Entwicklung (nicht nur in der Seewasseraquaristik) in den nächsten Jahren angeraten.

Ich bin der Meinung, das Wissen und die Anleitung für unerfahrene Aquarianer einer breiten Basis Raum zu schaffen, gemeinsam an diesen Projekten zu arbeiten noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Auf Grund der Erfahrungen, Tätigkeiten und Initiativen unserer Fachgruppengemeinschaft wissen wir, dass eine regelmäßige Zusammenkunft und Austausch sehr gut geeignet sind praktische Ergebnisse zu erzielen. Und genau das ist auch der Grund, warum wir uns dieser Thematik weiterhin widmen wobei wir uns natürlich noch viel mehr Resonanz wünschen.

Die gewonnenen Erkenntnisse sind dabei nicht nur den Züchtern wichtig; sie bieten bei der Verbesserung der Tierhaltung für jeden Aquarianer wichtige Ansatzpunkte.


LG Dietmar