Hallo an alle Forenmitglieder,
die Situation ist vielleicht einigen bekannt, einigen vielleicht nicht, es gibt drei große bekannte Seen in Afrika. Die meisten kennen zwei Seen und deren Bewohner auf jeden Fall:
Den Malawisee und den Tanganjika-See
Aber der drittgrößte See der Welt, der Viktoriasee, ist eher unbekannt bzw. gibt es aus diesem See keinen Import von Buntbarschen wie aus den beiden anderen Seen.
Warum eigentlich?
Tja, das ganze ist eine traurige Geschichte menschlichen Eingriffs in die Natur. Kurz und knapp zusammengefasst schätzte man wissenschaftlich ab, das es einmal ungefähr 500 Buntbarscharten in diesem See gab. 500!!!
Durch so einige unüberlegte Handlungen und Verhaltensweise, wie beispielsweise:
1. Das Einsetzen eines Spitzenpredators, wie dem Nilbarsch, in den See, der ganze Arten ausgerottet hat, um den Fischfang am See ertragreicher zu machen. Das war mehr oder weniger der Startschuss des Massensterbens vieler Buntbarscharten im See. Der Nilbarsch eroberte Stück für Stück fast alle Gewässerbereiche und verdrängte dort ansässige und heimische Buntbarscharten. Die Arten die sich an neue Gegebenheiten, veränderter Lebensstandort, neue Lebensbereiche im Wasser und neue Fressgewohnheiten, anpassen konnten, überlebten größtenteils. Andere wurden damit für immer im See ausgerottet.
2.Das Ansiedeln der Wasserhyanzinthen (einer Gartenteichblume) im See, die dem See und seinen Lebewesen stetig mehr Sauerstoff entzieht und sich rasent verbreitet hat, mittlerweile sind zum Beispiel etwa 90% der ungandischen Gewässer damit bedeckt. Was das mit der im Wasser lebenden Flora und Fauna macht, wenn kein Sauerstoff und kein Tageslicht in den See kommt, kann sich jeder selbst ausmalen.
3.Der stetig wachsende Bevölkerungsanteil, man schätzt rund 30 Millionen Menschen leben entlang seiner Ufer, hauptsächlich ansässig aufgrund der Fischereiindustrie, wodurch der See mittlerweile auch zur größten Müllkippe des Landes verkommt.
2018 haben Wissenschaftler an verschiedenen Standorten Proben aus Wasser, Erdreich und Fischen entnommen, das Ergebnis war erschreckend: Neben der hohen Konzentration von menschlichen Fäkalien sowie Phosphaten, die von Düngemitteln aus der Landwirtschaft stammen, sei das Wasser mit Arsen, Blei- und Aluminium-Rückständen aus unrecycelten Abfällen wie etwa Autobatterien vergiftet.
2022 haben Biologen in der Murchinson-Bucht in Kampala besonders alarmierende Werte von Giften registrieren können. Der Grund hierfür ist ein offener Abwasserkanal, der Nakivubo-Kanal. Er zieht sich von der riesigen Müllhalde im Norden der Stadt durch zahlreiche Armenviertel und die geschäftige Innenstadt, durch das Industriegebiet bis zum See hinunter. Unterwegs sammeln sich tonnenweise Abfälle an, die beim nächsten Tropenregen in Sturzbächen in den See gespült werden. Auch ist das Bewusstsein der dort ansässigen Menschen nicht vorhanden, das sie sich selbst auf Dauer ihrer Lebensgrundlage entziehen. Dort werden Fischerboote direkt am Wasser repariert, Öl und Hydraulik nachgefüllt, die Behälter in den See geworfen. Die Frauen waschen die Wäsche im See, dann das Geschirr ab. Die Chemiekalien die hierfür benutzt werden landen alle im See.
Dazu sind noch die wenigsten Dörfer und Kleinstädte an die Wasserleitungen angeschlossen, zum Beispiel Kampala, gerade einmal 13 Prozent der Haushalte spülen ihr Schmutzwasser in die Kanalisation, die zu Kolonialzeiten gebaut wurde und mittlerweile an die Klärwerke angeschlossen ist. Die übrigen Häuser verfügen zumindest über Sickergruben im Garten, deren Inhalt von Lastwagen abgepumpt und zu den Klärwerken gebracht wird. Ein nicht unwesentlicher Teil des in Kampala konsumierten Wassers fließt jedoch ungeklärt in den See – und muss dann wieder aufbereitet werden.
Die Basisinfrastruktur rund um den See ist völlig unzureichend, es fehlt an Toiletten, also erleichtern sich die Menschen im Freien. Es fehlt an Wasserversorgung, also bedient man sich am verunreinigten See. Es fehlt an Strukturen, also bleibt der Müll einfach liegen.
Wenn man bedenkt wieviele Dörfer und Städte rund um den See anliegen, kann man sich vielleicht das Ausmaß dieser Wasserverschmutzung und Umweltzerstörung ausmalen
Deutschland unterstützt über die KfW Entwicklungsbank Ugandas Wasserwerke mit 40 Millionen Euro. Damit wurden die Aufbereitungsanlage in Ggabba mit modernster Filtertechnologie ausgestattet sowie Klärwerke errichtet und modernisiert. Auch der dreckige Nakivubo-Kanal wurde an ein Klärwerk angeschlossen, immerhin ein Teilerfolg.
Die Arche noVa setzt sich konsequent für viele Projekte mit Hilfe von Kooperationspartnern am See ein, beispielsweise der Brunnenbau für Dörfer, Ausbau des Müllmanagement und Investition in bessere Fischereiausrüstung.
4. Die steigende Wassertemperatur, infolge des Klimawandels, führt zu einer hohen Konzentration an Cyanobakterien (Blaualgen), diese schädigen Fische und verursachen bei Menschen, die in Kontakt damit kommen, Hautausschlag sowie Magen- und Darminfektionen.
Wissenschaftlichen Institutionen haben sich in den 80ziger Jahren dieser Thematik schon angenommen und forschen seit den 80er Jahren am See und in ihren Instituten. Wie auch die Universität in Leiden / NL, Ihr ist hauptsächlich zu verdanken, dass wir Aquarianer an Cichliden aus dem See gekommen sind. Denn einen Teil der Tiere, die zu Forschungszwecken in die Universität gelangten, wurden, wenn sie nicht mehr benötigt wurden, Aquarianern zugänglich gemacht in der Hoffnung, dass sie als Aquarienpopulationen erhalten bleiben.
Ein Name hier in Deutschland ist Axel Böhner.
Ihm wurden Tiere mit der Maßgabe übergeben, dass er sie wieder abgeben müsste, falls die Universität sie noch einmal benötigte. Man legte von Seiten der Universität Wert auf eine gute Zusammenarbeit mit den Aquarianern die diese wenigen Arten erhalten haben. Er ist auch einer der wenigen Aquarianer durch die wir heute das Glück haben einige Arten in heimischen Aquarien pflegen zu dürfen, da der kommerzielle Import dieser Fische bisher völlig unbeachtet ist. Das liegt auch zum Teil daran, das man viele Arten schwer voneinander unterscheiden kann, vor allem das es so einige Standortvarianten einer Spezies im See gab und gibt, auch sind die Weibchen im Verhältnis zu den Männchen nie so farbenprächtig gefärbt, was eine Unterscheidung in jeweilige Arten bei einem Fang erschwert und am Ende zu Hybridisierung führen würde.
Meine Geschichte fing durch Zufall und dem Internet an, als ich auf der Suche nach Hilfe bei Artbestimmung und Neubesatz war. Damals gut besucht, war das Cichlidenweltforum eine gute Anlaufstelle. Dort tummelten sich viele Aquarianer und viel Wissen. Leider gibt es dieses Forum nocht mehr.
Dort traf ich auf Axel Böhner in seinen letzten Jahren der Pflege dieser Buntbarsche, auch hier sind Namen wie Marcus Welss, Thomas Uecker und viele mehr zu erwähnen, die damals aktiv diese Fische in der IGV (Interessengemeinschaft Viktoriaseecichliden) pflegten und vermehrten. Das unter dem Maßstab der Arterhaltung und artenreinen Haltung dieser Buntbarsche.
Einige dieser Pfleger haben aus Alters- und familiären Gründen dieses Hobby aufgeben müssen. Dadurch sind auch viele Arten verloren gegangen, weil sich keine neuen Pfleger gefunden haben, denn eine artenreine Nachzucht muss und sollte ein Maßstab bei diesen Tieren sein. Das erfordert natürlich eine gewisse Anzahl an Aquarien für jeweils eine Art die man pflegt plus Nachzuchtbecken, Becken für Jungfische und so weiter. Das mus man gewillt sein aufzubringen, wenn man diese Fische aktiv züchten und vermehren will. Eine Vergesellschaftung mit oftmals sich ähnelnden Weibchen verschiedener Arten und Standortvarianten wird nicht empfohlen und hat auch nichts mit Arterhaltung zu tun.
Ein Blick auf die Internetseite der IGV kann euch einen Einblick der damals erhaltenen Buntbarscharten verschaffen. Ob und inwieweit noch alle Arten verfügbar sind ist schwer zu sagen, da das damalige Netzwerk von Pflegern leider nicht mehr so stark vorhanden ist wie damals. Auch pflegen die meisten keine Homepages oder dergleichen. Man kennt sich als Halter und Pfleger dieser Arten und auch die wenigsten Zoohandlungen haben artreine Tiere oder geschweige denn eine große Auswahl an Arten aus diesem See.
Ein paar begeisterte Aquarianer haben über die Jahre immer mal wieder Reisen nach Afrika an den Viktoriasee und den umliegenden Kyoga-See und den anderen Gewässern im Einzugsbereich unternommen, Fische importiert und neue und alte Arten in die Aquaristik gebracht. Ihnen ist auch zu verdanken, das der genetische Pool der vorhandenen Arten ein wenig aufgefrischt werden konnte und man nachweisen konnte, das noch nicht alle Arten ausgestorben sind.
Die Eawag in der Schweiz ist noch ein größere wissenschaftliche Institution, die sich mit der Erforschung der Buntbarschen aus dem Viktoriasee beschäftigt.
Ole Seehausen ist ein ziemlich bekannter Wissenschaftler auf diesem Gebiet, durch ihn und seine Kollegen konnten viele Arten, die ehemals als Haplochromis Arten geführt wurden, auch neu bestimmt und benannt werden.
Welche Arten gibt und gab es mal:
Haplochromis
Harpagochromis
Paralabidochromis
Yssichromis
Pundamilia Nyererei
Pundamilia Pundamilia
Astatotilapia
Ptychochromis
Pyxichromis
Lithochromis
Neochromis
Mbipia
Lipochromis
Labrochromis
Astatoreochromis
Enterochomis
In den meisten Zoohandlungen werdet ihr nur falsche Bezeichnungen, falsche Artabbildungen oder Fantasienamen finden, die den Verkauf steigern sollen,bei einigen wenige gute Online-Zoohandlungen kann man auch nicht hybridisierte reine Arten kaufen. Aber eher selten.
Wer sich gern mit dem Thema auseinandersetzen möchte, einen Beitrag zur Arterhaltung leisten will und sich einfach für diese schönen Tiere interessiert, kann sich gern hier im Thema austoben und Fragen stellen.
Grüße Jens